You are here

Emotional Employer Branding

Die Wahl eines Arbeitgebers geschieht nicht zufällig sondern strukturiert. Während in der ersten Phase des Prozesses die Bekanntheit des Unternehmens beim Bewerber im Fokus steht sind die finalen Entscheidungen stark emotional geprägt. Prof. Dr. Michael Ruf, Lehrender an der Hochschule Heilbronn, empfiehlt Unternehmen deshalb ihre Marke auch emotional aufzuladen, damit entsprechende Assoziationen bei der Zielgruppe vorliegen.
Veröffentlicht am 31.03.2016

Die Wahl eines Arbeitgebers geschieht nicht zufällig sondern strukturiert. Während in der ersten Phase des Prozesses die Bekanntheit des Unternehmens beim Bewerber im Fokus steht sind die finalen Entscheidungen stark emotional geprägt. Prof. Dr. Michael Ruf, Lehrender an der Hochschule Heilbronn, empfiehlt Unternehmen deshalb ihre Marke auch emotional aufzuladen, damit entsprechende Assoziationen bei der Zielgruppe vorliegen.

 

Prof. Dr. Michael Ruf: Mit den Fachkräfteengpässen am Arbeitsmarkt wird Arbeitgeberattraktivität in vielen Unternehmen zunehmend zur personalstrategischen Zielsetzung. Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass es zukünftig nur attraktiven Unternehmen gelingen wird, die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen und diese auch langfristig an das Unternehmen zu binden. Der Ansatz des „Employer Branding“ beschreibt den hierfür zu beschreitenden Weg.

Im Rahmen des Employer Branding finden Konzepte aus dem Marketing, insbesondere der Markenbildung, Anwendung, um ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und von anderen Wettbewerbern im Arbeitsmarkt positiv abzuheben. Meine Erweiterung des Konzepts um die emotionale Dimension beruht auf der Erkenntnis, dass die Arbeitgeberwahl nicht zufällig, sondern recht strukturiert abläuft.

In einer ersten Phase steht die Bekanntheit des Unternehmens im Fokus, damit dieses als Arbeitgeber überhaupt erst in Betracht kommen kann. Die finale Entscheidung für einen Arbeitgeber ist dann jedoch stark emotional geprägt. Folglich muss ein Unternehmen seine Arbeitgebermarke auch emotional aufladen, damit entsprechende Assoziationen bei der Zielgruppe vorliegen.

 

Prof. Dr. Michael Ruf: Auf den ersten Blick liegt natürlich die Verbindung zu der Marketing- bzw. Kommunikationsabteilung auf der Hand. Eine arbeitgeberbezogene Kommunikation muss mit anderweitigen Marketingaktivitäten abgestimmt sein. Meines Erachtens ist jedoch Employer Branding grundsätzlich immer „Chefsache“ Wenn die Geschäftsführung nicht hinter diesem Ansatz steht und das entwickelte Arbeitgeberversprechen gegenüber zukünftigen Bewerbern nicht aktiv mitträgt, dann kann ein derartiges Projekt nicht erfolgreich sein. Zudem geht es bei dem Thema Arbeitgeberattraktivität immer auch um das Thema der Authentizität und Glaubwürdigkeit.

Die Versprechen, die ein Arbeitgeber nach außen abgibt, müssen gehalten werden. Dies setzt voraus, dass versprochene Arbeitgebereigenschaften auch tatsächlich im Unternehmen gelebt werden und nicht nur in einer Hochglanzbroschüre abgedruckt sind.

Daher gilt es, Mitarbeiter und Führungskräfte des Unternehmens mit einzubeziehen und zu „Botschaftern“ der Arbeitgebermarke zu machen.

 

Prof. Dr. Michael Ruf: Sicherlich sind Unternehmen mit einem systematisch geplanten und gegebenenfalls auch extern begleiteten Employer Branding Prozess nicht schlecht beraten. Aus meiner Sicht ist Employer Branding daher eher als ein Organisationsentwicklungs- als ein reiner Marketingprozess zu sehen, da sich das Unternehmen zielgerichtet weiterentwickelt.

Arbeitgeberattraktivität wird zwar zukünftig für die Rekrutierung neuer und die Bindung aktueller Mitarbeiter immer wichtiger, jedoch muss ein Unternehmen auf die demographische Entwicklung mit einer „demographiefesten Personalarbeit“ antworten. Dazu gehören neben der Arbeitgeberattraktivität auch beispielsweise Ansätze der Personalentwicklung und des Kompetenz-, Gesundheits- und Wissensmanagements.

 

Prof. Dr. Michael Ruf: Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass der Ansatz des Employer Branding nicht exklusiv den großen, international tätigen Unternehmen vorbehalten ist. Employer Branding ist Organisationsentwicklung und gibt auch KMU wertvolle Hinweise zur Entwicklung der individuellen Arbeitgeberattraktivität. Und wenn ich mir Arbeitgebereigenschaften wie die Attraktivität der Arbeitsaufgaben, Kollegialität, Führungsstil und wertschätzender Umgang anschaue, die heute bei der Wahl des Arbeitgebers ausschlaggebend sind, dann sind das Arbeitgeberattribute, die in der Unternehmenskultur verankert sind und sich nicht an der Unternehmensgröße festmachen lassen.

Daher haben mittelständische Unternehmen in der Substanz häufig keine großen Nachteile. Diese offenbaren sich jedoch, wenn es um die Kommunikation der Arbeitgebereigenschaften nach außen geht. Während Großunternehmen eigene Abteilungen für Personalmarketing haben, sind die finanziellen und personellen Ressourcen in KMU meist recht übersichtlich.

Daher ist es bei mittelständischen Unternehmen essentiell, dass die strategisch wichtigen Zielgruppen vorab klar definiert werden, um möglichst wenig Streuverluste im Rahmen des Personalmarketings zu haben.

 

Prof. Dr. Michael Ruf: Es ist für Unternehmen mit einer prominenten und emotional aufgeladenen Produktmarke natürlich deutlich einfacher, da hier Synergieeffekte genutzt werden können. Hidden Champions können nicht auf diese Abstrahlungseffekte der Produkt- oder Unternehmensmarke hoffen, weshalb eine direkte emotionale Aufladung der Arbeitgebermarke im Rahmen des Personalmarketings umso wichtiger wird. Fehlende emotionale Assoziationen müssen in der Arbeitgeberwerbung geschaffen und aufgebaut werden.

Dabei hat sich gezeigt, dass derartige Assoziationen am besten über persönliche Kontakte mit dem Unternehmen bzw. dessen Vertretern geschaffen werden können. Diese Erfahrungen werden häufig unter dem Schlagwort der „Candidate Experience“ zusammengefasst. Hier müssen mittelständische Hidden Champions, ähnlich wie bspw. auch Großunternehmen der Zuliefererindustrie, eine Weg finden, wie besonders emotional prägende Erlebnisse für zukünftige Mitarbeiter geschaffen werden können.

Die Fragen stellte Michael Schnurr