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"Ob der Köder dem Fisch schmeckt, muss der Fisch entscheiden"

Was erwarten Mitarbeiter von Unternehmen und wie können Unternehmen darauf reagieren? Ein Gespräch dazu mit Stefan Huf, Professor für Personalmanagement und Mitarbeiterführung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.
Veröffentlicht am 07.11.2018

(hhr) Was erwarten Mitarbeiter von Unternehmen und wie können Unternehmen darauf reagieren? Ein Gespräch dazu mit Stefan Huf, Professor für Personalmanagement und Mitarbeiterführung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

"Jeder Beschäftigte oder Bewerber wägt individuell ab, was ein guter Arbeitgeber ist. Eine pauschale Aussage dazu kann es nicht geben", sagt Stefan Huf, Professor für Personalmanagement und Mitarbeiterführung an der DHBW Stuttgart. | Bild: EYB / LUCKAS Kommunikation

Wie können es Unternehmen schaffen, Mitarbeiter zu binden und zu gewinnen?

Zunächst einmal ist zu sagen, dass Mitarbeiter weder zu gewinnen noch zu binden sind. Unternehmen stehen auf dem Arbeitsmarkt untereinander im Wettbewerb und können Mitarbeiter nicht verpflichten, bei ihnen zu arbeiten noch anordnen, bei ihnen zu bleiben. Vielmehr können Mitarbeiter jederzeit nach attraktiveren Arbeitgebern Ausschau halten. Unternehmen können sich lediglich als attraktive Arbeitgeber präsentieren und potenzielle Mitarbeiter einladen, sich bei Ihnen zu bewerben und aktuelle Mitarbeiter dazu einladen, im Unternehmen zu verbleiben.

Was macht denn einen guten Arbeitgeber aus?

Die Frage, was ein guter Arbeitgeber ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Nur Mitarbeiter selbst können entscheiden, ob sie bei einem guten Arbeitgeber arbeiten. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen Anreize bietet, die dem Arbeitnehmer wichtig sind. Für die einen ist eine Reisetätigkeit eine tolle Herausforderung und spannendes Abenteuer, für die anderen ist es unerträglich, nicht zuhause zu übernachten. Für andere ist Arbeit in den Abendstunden undenkbar. Andere finden wiederum genau das reizvoll, weil es zum Biorhythmus oder Lebenskonzept passt. Die richtige Arbeitsstelle wird dann als gut empfunden, wenn das „Anreiz-Beitrags-Verhältnis“ persönlich als gut empfunden wird, also das Verhältnis, was erhalte ich und was muss ich dazu beitragen.

Was können das für Anreize sein?

Das Anreizsystem kann aus materiellen Anreizen, wie dem Entgelt sowie gesetzlicher, tariflicher und betrieblicher Sozialleistungen bestehen. Ebenso spielen immaterielle Anreize, wie Arbeitsinhalte, Führungsstil, Arbeitsplatzsicherheit, Karriereperspektive, Work-Life-Balance und vieles mehr eine Rolle. Ob der Köder dem Fisch schmeckt, muss jedoch der Fisch entscheiden und kann nicht vom Angler bestimmt werden. Hier wägt jeder Beschäftigte oder Bewerber individuell ab. Es wäre in meinen Augen unzulässig, Mitarbeiter diesbezüglich über einen Kamm zu scheren.

In einem aktuellen Beitrag kritisieren Sie die Dramatisierung des Wandels im Bereich des Personalmanagements. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Ja, tatsächlich. Es wird viel dramatisiert und mit unermüdlicher Penetranz auf grundlegende Veränderungen des Personalmanagements hingewiesen. Derzeit ist beispielweise viel vom Fachkräftemangel, der Generation Y, New Work oder neuen Karrierewegen die Rede – im Zweifel muss alles „digital“ oder zumindest „agil“ werden. Ständig wird von radikalen, fundamentalen oder gar von disruptiven Veränderungen im Personalmanagement gesprochen. Möglicherweise überschätzt diese Diagnose den Wandel. Da scheint mir vieles modisch und nur weniges substanziell zu sein.

Warum ist das so? Und macht es der Fachkräftemangel nicht erforderlich, dass Arbeitgeber neue Wege gehen?

Es lässt sich nur darüber spekulieren, weshalb dramatisiert wird. Jedenfalls ist es ein einträgliches Geschäft für Personalberater, mit immer wieder neuen Konzepten an den Markt zu gehen. Oft jedoch handelt es sich um „alten Wein in neuen Schläuchen“. Der sogenannte Fachkräftemangel erfordert jedenfalls keinen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Personalbeschaffung. Zweifellos klagen Unternehmen über einen geringen Bewerbungseingang. Vielleicht liegt dies jedoch nicht am Fachkräftemangel, sondern daran, dass diese Unternehmen als Arbeitgeber nicht ausreichend attraktiv sind. Möglicherweise haben wir eher ein unternehmensseitiges Attraktivitätsproblem als einen arbeitnehmerseitigen Fachkräftemangel.

Müssen die Bedingungen in den Unternehmen nicht an die Werte und Erwartungen der Generation Y angepasst werden, um junge Talente anzusprechen?

Natürlich gibt es Trends, wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsorts, die von der zunehmenden Digitalisierung unterstützt wird. Auch lässt sich in den Unternehmen eine Veränderung des Arbeitsumfelds beobachten, indem die Arbeitsräume architektonisch neu ausgestaltet werden. Es ist aber keine Lösung nur von „New Work“ zu reden, die Wände bunt anzustreichen und einen Kicker im Personalraum aufzustellen. Diese hippe Start-up-Kultur ersetzt nicht das Erfordernis, die grundlegenden Bedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten in Einklang zu bringen. Grundsätzlich hat die Generation Y keine fundamental abweichenden Werte als die Generation X oder die Babyboomer. Dabei haben auch traditionelle Karrieremodelle längst noch nicht ausgedient.

Fragen: Holger Hagenlocher